Co-Benefits: Gut fürs Klima – doppelt gut für den Menschen

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Die Klimakrise ist die größte Bedrohung für unsere Gesundheit. Ihre Bewältigung bietet aber auch enorme Chancen für ein gesundes und glückliches Leben innerhalb planetarer Grenzen.
Zu den gesundheitlichen Auswirkungen der Klimakrise zählen beispielsweise die Zunahme von Infektionserkrankungen über die verstärkte Ausbreitung von Krankheitserregern durch Mücken und Zecken in unseren Breiten, Verschlechterung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Folge von Hitzewellen sowie psychische und physische Traumata bei Extremwetterereignissen. Auch Mangelernährung aufgrund von Ernteausfällen stellt in vielen Regionen der Erde eine dramatische Folge der Klimakrise dar. Vor allem MAPA (most affected people and areas) und Länder mit geringeren finanziellen Möglichkeiten sind besonders schwer betroffen.

Gleichzeitig bieten die multiplen Krisen unserer Zeit die Chance, die Transformation hin zu einer klimaverträglichen, ressourceneffizienten und gerechten Gesellschaft kraftvoll anzupacken.
Co-Benefits bezeichnen hierbei Maßnahmen, die sowohl der individuellen Gesundheit (direkte Gesundheitseffekte) als auch der Begrenzung der Erderhitzung und der Eindämmung der Umweltkrisen (indirekte Gesundheitseffekte) dienen. Damit wirken sie sich gleich doppelt positiv auf unsere Gesundheit aus. Einige Beispiele für Co-Benefits stellen wir hier vor.

Co-Benefit 1: Ernährung nach der Planetary Health Diet

Bei einer Ernährung gemäß der „Planetary Health Diet“ besteht der überwiegende Anteil dessen, was auf dem Teller landet, aus Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten und Nüssen. Damit entspricht die Planetary Health Diet einer hauptsächlich pflanzenbasierten Ernährung. Der Anteil tierischer Produkte ist dabei gegenüber dem durchschnittlich in Deutschland konsumierten Anteil deutlich reduziert. Damit die Produktion der Nahrungsmittel innerhalb der ökologischen Belastungsgrenzen gelingen kann, muss der Fleischkonsum in Deutschland um fast Dreiviertel und der Milchkonsum um über die Hälfte sinken.

Direkte Gesundheitseffekte:

  • Reduktion von Übergewicht und Adipositas sowie ihrer Folgeerkrankungen (z.B. Diabetes)

  • Senkung des Risikos für Bluthochdruck, Herzinfarkt und Darmkrebs

  • Zugewinn an Wohlbefinden, Lebensqualität und Lebensjahren

Indirekte Gesundheitseffekte:

  • Reduktion von Treibhausgasemissionen: Fast 15 Prozent aller menschlichen Treibhausgasemissionen sind auf die Herstellung tierischer Produkte zurückzuführen – das ist genauso viel wie der gesamte Mobilitätssektor an Emissionen verursacht, also alle Autos, Schiffe und Flugzeuge der Welt.

  • Reduktion der Landnutzung: Circa 80 Prozent aller landwirtschaftlichen Flächen werden für die Produktion tierischer Lebensmittel genutzt. Durch eine geringere Landnutzung werden natürliche Lebensräume und Biodiversität besser geschützt und auch die Gefahr für Pandemien verringert.

  • Reduktion des Wasserverbrauchs: Für ein Kilo Tomaten sind knapp 180 Liter Wasser notwendig, für ein Kilo Orangen 460 Liter. Ein Kilo Äpfel braucht knapp 700 Liter, ein Liter Milch 1.000 Liter, jedes Kilo Rindfleisch sogar 15.500 Liter Wasser.

Co-Benefit 2: Aktive Bewegung

Egal ob auf dem Arbeitsweg oder in der Freizeit: Muskelbasierte statt motorisierter Fortbewegung hat zahlreiche positive Effekte. So oft wie möglich zu Fuß zu gehen oder mit dem Fahrrad zu fahren zahlt sich gleich doppelt aus.

Direkte Gesundheitseffekte:

  • Reduktion des Risikos für Herz-Kreislauf-Erkrankungen & Bluthochdruck

  • Reduktion des Risikos für Diabetes & Übergewicht

  • Vorbeugung einiger Krebserkrankungen, zum Beispiel Darm-, Gebärmutter- und Brustkrebs

  • Steigerung der mentalen Gesundheit & des Wohlbefindens

  • Verbesserung des Verlaufs von Krankheiten des Bewegungsapparates (z.B. Rückenschmerzen)

Indirekte Gesundheitseffekte:

  • Reduktion von Treibhausgasemissionen: In Deutschland ist der Verkehrssektor für rund 23 Prozent des CO₂-Ausstoßes verantwortlich.

  • Reduktion der Luftverschmutzung: In Deutschland sterben jährlich rund 80.000 Menschen vorzeitig aufgrund von Luftverschmutzung.

  • Reduktion der Lärmbelastung

Co-Benefit 3: Mehr mit dem ÖPNV fahren

Über 50 Prozent aller Arbeitswege liegen im Nahbereich von unter 10 Kilometern und sind somit für die meisten Menschen auch ohne das eigene Auto zurückzulegen. Eine erhöhte Nachfrage nach öffentlichem Nahverkehr verbessert langfristig auch das Angebot und ist neben dem Umstieg auf Fahrradfahren und Laufen ein wichtiger Schritt in Richtung Verkehrswende.

Direkte Gesundheitseffekte:

  • Studien zeigen, dass eine längere Pendelstrecke im Auto mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für Rauchen, unzureichender körperliche Aktivität, zu wenig Schlaf, Fettleibigkeit sowie einer schlechteren körperlichen und geistigen Gesundheit verbunden ist. Wer den öffentlichen Nahverkehr nutzt, bewegt sich dagegen durch körperlich mehr.

Indirekte Gesundheitseffekte:

  • Reduktion von Treibhausgasemissionen

  • Reduktion der Luftverschmutzung

  • Reduktion der Lärmbelastung

Co-Benefit 4: Wenn Auto fahren, dann langsamer

Die Mehrheit der Deutschen befürwortet ein Tempolimit. Doch warum auf die Politik warten? Niemand hält uns davon ab, einfach selbst langsamer Auto zu fahren.

Direkte Gesundheitseffekte:

  • Vermeidung von Unfalltoten und Schwerstverletzten: Studien zeigen, dass langsameres Autofahren die Zahl der Unfälle, der Verletzten und der Verkehrstoten erheblich senkt.

Indirekte Gesundheitseffekte:

  • Reduktion von Treibhausgasemissionen: Eine aktuelle Studie besagt, dass ein Tempolimit von 120 km/h den Ausstoß von Treibhausgasen um 2,6 Mio. Tonnen pro Jahr reduzieren würde. Eine Beschränkung auf 100 km/h könnte sogar 5,4 Mio. Tonnen jährlich einsparen.

Co-Benefit 5: Quality time statt Screentime

Die Pflege von Beziehungen, zum Beispiel Zeit für Partnerschaft, Freund:innen und Familie, wirkt sich positiv auf die Gesundheit aus und lässt sich oft ressourcenschonend realisieren. Zu viel Zeit vor dem Bildschirm hat hingegen zahlreiche negative Gesundheitseffekte und ist mit nicht zu vernachlässigenden Emissionen verbunden.

Direkte Gesundheitseffekte:

  • Übermäßige Bildschirmzeit wird mit Schlafstörungen und Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck, Fettleibigkeit, niedrigem HDL-Cholesterinspiegel und Diabetes in Verbindung gebracht. Weitere Folgen für die körperliche Gesundheit sind Sehstörungen und eine geringere Knochendichte.

  • Zeit für zwischenmenschliche Beziehungen wirkt sich hingehen positiv auf die körperliche und psychische Gesundheit aus.

Indirekte Gesundheitseffekte:

  • Reduktion von Treibhausgasemissionen: Unsere Online-Aktivitäten haben einen ähnlich großen ökologischen Fußabdruck, wie der globale Luftverkehr. In Deutschland belaufen sich die Emissionen unseres digitalen Konsums pro Person durchschnittlich auf 0,85 Tonnen pro Jahr – Tendenz steigend. Generell gilt im Netz: desto bunter und bewegter, desto mehr Emissionen.

Co-Benefit 6: Gemeinsam für die notwendige Transformation einsetzen

Wir werden die Klima- und Umweltkrise nur durch eine grundlegende Transformation hin zu einer klimaverträglichen, ressourceneffizienten Gesellschaft lösen. Der Fokus sollte daher nicht nur auf der Verringerung des eigenen Fußabdrucks, also der Einsparung von individuellen Treibhausgasemissionen, liegen, sondern vor allem auf der Vergrößerung des Handabdrucks. Der Handabdruck lässt sich gestalten durch Aktionen, die darauf abzielen, andere Personen, das Arbeitsumfeld oder Netzwerke zu beeinflussen und somit politische oder gesellschaftliche Strukturen auf lokaler, nationaler oder internationaler Ebene zu verändern. Deine Arbeit ist hierbei vermutlich der größte Hebel, um einen positiven Einfluss auf die Welt zu haben.

Direkte Gesundheitseffekte:

  • Engagement und als wertvoll empfundene Arbeit hilft gegen das Gefühl von Hilflosigkeit und verbindet mit Gleichgesinnten. Es ermöglicht die Erfahrung von Empowerment und stiftet Sinn durch ein werteorientiertes Leben. Engagement ist somit eine effektive Möglichkeit, negativen psychischen Auswirkungen der Klima- und Umweltkrise zu begegnen und diese in positive individuelle und gesellschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten umzulenken.

Indirekte Gesundheitseffekte:

  • Engagement fördert die gesellschaftliche Transformation hin zu einer (klima)gerechteren, gesünderen Gesellschaft.

Co-Benefit 7: Flow statt Konsumstress

„Flow“ bezeichnet einen Zustand, in dem Menschen völlig in einer Aktivität aufgehen und buchstäblich „die Zeit vergessen“. Dazu zählen beispielsweise Aktivitäten wie Sport, zwischenmenschliche Interaktion, Kunst und kontemplative Praktiken wie Yoga oder Meditieren, welche häufig geringe Umweltkosten verursachen.

Direkte Gesundheitseffekte:

  • Studien zeigen, dass Menschen, die vermehrt Wert auf den Erwerb von Konsumgütern legen, eine geringere Lebenszufriedenheit, ein geringeres Selbstwertgefühl sowie ein geringes Gefühl von Sinnhaftigkeit haben und mit größerer Wahrscheinlichkeit unter Depressionen und Angstzuständen leiden.

  • Flow-Erlebnisse sind hingegen mit einem höheren persönlichen Wohlbefinden verbunden und gehen oft mit zusätzlichen gesundheitlichen Nutzen, zum Beispiel der Reduktion von Bluthochdruck und Herzinfarkten und mit einer gesteigerten psychischen Gesundheit einher.

Indirekte Gesundheitseffekte:

  • Reduktion von Treibhausgasemissionen: Konsum macht ca. 40 Prozent der individuellen Treibhausgasemissionen aus. Flow-Erlebnisse hingegen treten bei vielen weniger umweltbelastenden Aktivitäten, wie zum Beispiel Sport, auf.

Co-Benefit 8: Naturverbundenheit

Naturverbundenheit beschreibt die persönliche Beziehung zwischen Mensch und Natur und wie Menschen über Naturräume denken, fühlen und diese erleben. Die Verbundenheit hat das Potenzial der gegenwärtigen Entkopplung und Entfremdung der Menschen von der Natur entgegenzuwirken und gleichzeitig umweltschützendes und gesundheitsförderliches Verhalten zu stärken. Jedoch führt der zunehmende Verlust an Natur durch das Voranschreiten multipler Bedrohungen wie Klimawandel oder Verlust von Biodiversität zu weniger Möglichkeiten, um Naturverbundenheit zu stärken. Dies kann sich wiederum negativ auf die individuelle und planetare Gesundheit auswirken. Hier ist es bedeutend, dieser Negativspirale u.a. durch die Förderung von Naturerfahrungsräumen entgegenzuwirken.

Direkte Gesundheitseffekte:

  • Physische Gesundheit: Aufenthalte in der Natur und ebenso visuelle Naturräume (weniger stark) unterstützen eine Stressreduktion mit Senkung des Cortisolspiegels, der Herzratenvariabilität und Aktivierung des Parasympathikus und führen speziell im Wald zur Stärkung des Immunsystems.
  • Psychische Gesundheit: Naturerfahrungen haben das Potenzial, die Affektregulation positiv zu beeinflussen und depressiven Verstimmungen zu begegnen sowie das Sinnempfinden und subjektive Wohlbefinden zu stärken. Zudem kann die Aufmerksamkeit, Kreativität, Konzentration und Problemlösung gefördert werden.
  • Naturaufenthalte bieten auch die Möglichkeit für Begegnungen und sozialen Austausch und motivieren außerdem zu körperlicher Aktivität, was sich positiv auf die körperliche und mentale Gesundheit auswirken kann.

Indirekte Gesundheitseffekte:

  • Naturverbundenheit äußert sich in einem fürsorglichen und achtsamen Umgang des Individuums mit der natürlichen Umgebung und den verfügbaren Ressourcen. Sie sensibilisiert für das Verständnis von Planetary Health und hat folglich das Potenzial umweltschützendes und klimasensibles Verhalten wie Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel, nachhaltiger Konsum, Wasser- und Energieeinsparung zu unterstützen.
  • Diese Verhaltensweisen stehen wiederrum mit einer Reduktion von menschengemachten Treibhausgasemissionen in Zusammenhang.
  • Die Erhaltung von Naturräumen und Schaffung von urbanen Naturräumen stehen zudem indirekt durch die Beeinflussung weiterer Umweltfaktoren wie Minderung von Feinstaub, Lärm und Hitzeextremen im urbanen Raum durch urbane Grünflächen (Stadtgrün) und Gewässer (Stadtblau) mit unserer Gesundheit in Zusammenhang.