Psychische Gesundheit im Kontext von Planetary Health

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Die fortschreitende Klimakrise, ökologische Schäden und zunehmende Extremwetterereignisse wirken sich bereits heute negativ auf unsere psychische Gesundheit aus. Diese Entwicklung wird sich zukünftig deutlich verstärken. Am stärksten betroffen sind Mütter, Kinder, ältere, sozial Benachteiligte und naturnah lebende Menschen sowie Menschen im Globalen Süden, chronisch Erkrankte, Menschen mit Behinderung und Frauen.

So führt zum Beispiel Hitzeeinwirkung bereits nach kurzer Zeit zu einer verstärkten Aggressivität und wirkt sich negativ auf kognitive Beeinträchtigungen wie demenzielle Erkrankungen aus. Naturkatastrophen wie das Hochwasser im Westen Deutschlands im Sommer 2021 oder der Verlust der eigenen Lebensumgebung erhöhen kurz-, mittel- und langfristig das Risiko von akuten oder posttraumatischen Belastungsstörungen, Somatisierungsstörungen, Substanzmissbrauch und weiteren psychischen Erkrankungen.

Indirekte Auswirkungen der ökologischen Krisen auf die Psyche

Die psychischen Folgeschäden der ökologischen Krisen verstärken sich massiv, wenn auch die indirekten Auswirkungen berücksichtigt werden. Diese kommen zum Beispiel durch ein allgemein abnehmendes Stabilitäts-, Autonomie- und Kontrollempfinden in der Bevölkerung, Schulausfälle oder die Zunahme politischer Konflikte, Kriege, Flucht und Pandemien zustande.

Psychische Mitursachen der ökologischen Krisen

Psychologie, Psychotherapie und ökologische Krisen sind auch über die gesundheitlichen Folgen hinaus eng verbunden: Die ökologischen Krisen sind menschengemacht, die Psychologie ist die Wissenschaft vom menschlichen Erleben und Verhalten. Wir Menschen stehen heute in voller Verantwortung für die nötige gesellschaftliche Transformation und müssen uns zeitgleich an bereits unumkehrbare Veränderungen anpassen.

Die Kenntnisse und praktischen Erfahrungen aus Psychologie und Psychotherapie helfen uns, sowohl umweltschädliches als auch -schützendes Verhalten besser zu verstehen, Problembewusstsein wachsen zu lassen sowie Handlungs- und Veränderungsmotivation zu stärken. Auch zielgruppengerechte und konstruktive Kommunikation unterstützt die dringend erforderlichen Transformationsprozesse.

Psychische Verarbeitung der ökologischen Krisen

Die Bewusstwerdung des Ausmaßes der ökologischen Krisen kann unangenehme Gefühle hervorrufen. Anhaltende Hilf- und Machtlosigkeit, Ängste, Trauer, Wut und Ärger können zu einer hohen psychischen Belastung führen und Abwehrmechanismen wie Vermeidung, Verdrängung oder Bagatellisierung begünstigen. Eine von innerer Abwehr geprägte Haltung steht einer konstruktiven Lösungssuche im Wege.

Auch Menschen, die sich für längere Zeit mit den schlimmen Prognosen und Katastrophenszenarien beschäftigen, sind oft schwer belastet. Die Vermittlung eines gesunderhaltenden, resilienten Umgangs mit den multiplen Krisen ist daher von besonderer Bedeutung.

Was zu tun ist

Menschen, die im Bereich der Psychologie oder Psychotherapie ausgebildet sind oder über praktische Erfahrungen verfügen, stehen heute unter anderem vor folgenden Aufgaben:

  • Aktive psychotherapeutische Präventionsarbeit
  • Anpassung und Ausbau des psychotherapeutischen Behandlungsangebots
  • Förderung der Wahrnehmung der ökologischen Krisen als globaler Notfall
  • Abbau von Handlungshemmnissen
  • Förderung alltagsnaher Handlungsmöglichkeiten, Selbstwirksamkeitserlebens und kollektiven Handelns
  • Stärkung von Affekttoleranz sowie individueller und kollektiver Resilienz
  • Etablierung konstruktiver Klimakommunikation insbesondere mit Blick auf potenzielle Multiplikator:innen, die mediale Abbildung der ökologischen Krisen und politische Kommunikation

Gerne verweisen wir auf die frei verfügbaren Arbeitsmaterialien und das Angebot einer kostenfreien Erstberatung für Klimaengagierte bei den Psychologists/Psychotherapists for Future.

Wie Sie als Einzelperson oder Organisation aktiv werden können

  • Bleiben Sie am Thema, bilden Sie sich weiter – aber lassen Sie sich nicht durch die Sorge über unzureichendes persönliches Wissen vom eigenen Handeln abhalten.
    Die ökologischen Krisen, wie zum Beispiel die Klimakrise, sind so komplex, dass selbst Fachleute nie alle Bereiche ihrer Implikationen durchdringen können. Sie selbst sind aber bereits heute Spezialist:in für die Themen Ihrer eigenen Lebenswelt und können direkt mit der Transformation Ihres privaten und beruflichen Umfelds in Richtung Nachhaltigkeit beginnen.
  • Sprechen Sie über die Klimakrise.
    Da jede einzelne „mentale Operation“, das heißt jede innere Auseinandersetzung mit der Klimakrise, die Verarbeitungstiefe und das Problembewusstsein von Menschen erweitern kann, ist es von großer Bedeutung, möglichst viele Gesprächsgelegenheiten wahrzunehmen. In diesem Zusammenhang kann es hilfreich sein, sich über die Möglichkeiten und Grenzen der Klimakommunikation weiterzubilden.
  • Schließen Sie sich Gruppen an und bringen Sie sich aktiv dort ein.
    Da sich insbesondere das Handeln in Gruppen als wirkungsstark und individuell ermutigend erwiesen hat, empfehlen wir Ihnen, den Schutz unserer Lebensgrundlagen zur persönlichen Priorität zu machen und sich in mindestens zwei Gruppen einzubringen. Unterstützen Sie zu diesem Zweck gerne auch die Arbeit von KLUG, Health for Future und/oder Psychologists for Future, zum Beispiel indem Sie sie bekannt machen durch eigene Mitarbeit und/oder eine Spende. Dies ist auch für Berufsverbände, Organisationen und Institutionen (z.B. Ihren Arbeitsplatz, Ihren Sportverein etc.) möglich.
  • Übersetzen Sie Planetary Health in praktisches Handeln.
    Das Fachbuch „Planetary Health“ bietet Ihnen einen Einstieg ins Thema. Eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Medizin wird in den kommenden Jahren vermehrt auf Sprache setzen, um auf diese Weise zum Beispiel lebensstilbedingten Erkrankungen oder Übermedikation und Überbehandlung vorzubeugen. In sämtlichen medizinischen Fachrichtungen kann auch eine verstärkte Nutzung von psychologischen und psychotherapeutischen Techniken (z.B. Beziehungsaufbau, motivierende Gesprächsführung) erwartet werden.